Das Gegenteil von Angst ist nicht Mut

Die vergangenen Monate und Jahre haben bei nicht wenigen Menschen zum Teil sehr irrationale Ängste geschürt. Die Hilflosigkeit und die Ohnmacht sich einer Situation gegenüber zu finden, auf die man keinen oder nur sehr wenig Einfluss hat, kann auch bei „hart­gesottenen Gesellen und Gesellinnen“ dazu führen, Angst zu empfinden.

Dabei geht es hier natürlich nicht um wirklich tiefsitzende Ängste, beispielsweise Phobien, Panikstörungen oder generalisierte Angststörungen – hier ist ein erster wesentlicher Schritt, dass Betroffene ihr Leid (an)erkennen und bereit sind, fachkundige Hilfe anzunehmen. Die Angststörungen, von denen hier gesprochen wird (irrationale Ängste), treten scheinbar grundlos auf. Sie kehren immer wieder auf und sind in den Köpfen der Menschen übermäßig präsent. Betroffene können ihre Angst kaum oder nicht kontrollieren. Zunehmend mehr Menschen entwickeln panische Angst vor und in Situationen, die objektiv gar nicht gefährlich sind. Laut der Berliner Psychologin Mandy Simon sind seit 2019 neben Angststörungen und Depressionen auch der Missbrauch von Suchtmitteln stark angestiegen.

In diesem Artikel ist die Rede von den vielen kleinen Ängsten, die einem das Leben verderben – also jenen lebhaften Vorstellungen von dem, wie es nicht kommen soll. Das Problem mit diesen kleinen Befürchtungen ist nämlich, je deutlicher diese negativen Vorstellungen sind und je öfter wir daran denken – desto stärker und schließlich auch immer lähmender wird der Gedanke, bis wir schließlich richtige Angst haben.

Und diese vielen kleinen Ängste, die wir uns über die Zukunft machen, diese vielen Befürchtungen, dass dieses oder jenes eintreten könnte … sie machen uns in der Summe das Leben schwer.

Nun müssen wir der Angst nicht hilflos gegenüber stehen. Wir müssen nur wissen, wie man der Angst geeignet begegnet. Wer sich in einem dunklen Raum befindet, kann diese Dunkelheit nicht verdrängen oder bekämpfen. Je heftiger man versucht gegen die Dunkelheit zu kämpfen, um so mehr und intensiver wird sie einem bewußt. Ängste sind wie die Dunkelheit – und da hilft nur Licht.

Inständiges positives Denken hat nicht nur etwas Verzweifeltes, sondern ist auch nicht der richtige Ansatz gegen gefühlte oder tatsächliche Bedrohungen. Was ist also die richtige Antwort gegen diese irrationalen Ängste?

Nein, die Antwort ist nicht wie die meisten Menschen denken: Mut.

Denn Mut heißt ja eigentlich nur Handeln trotz Angst! Also, ein mutiger Mensch ist nicht angstfrei, sondern er oder sie überwindet seine Angst und tut etwas, vor dem er oder sie sich fürchtet.

Die richtige Antwort auf den Umgang mit der Angst ist … Dankbarkeit. Wer daran denkt, wofür er oder sie dankbar ist, kann nämlich nicht gleichzeitig daran denken, Angst zu haben. Unser Gehirn kann nur einen Gedanken auf einmal denken, es kann nur eine Emotion auf einmal verarbeiten und diesen Effekt kann man für sich ausnutzen. Dankbar zu sein ist nicht nur eine wesentlich schönere Emotion als Angst – darüber nachzudenken, wofür man alles dankbar ist macht sicherlich auch mehr Spaß als sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die vielleicht schlecht ausgehen könnten.

Und Dankbarkeit erhöht tatsächlich das Glückslevel. „Dankbarkeit ist das Gefühl des Staunens, des Dankbar-Seins und der Feier des Lebens“, sagt Robert Emmons, ein amerikanischer Psychologe und Professor, der eher zufällig zum Thema Angst kam. In einer Forschergruppe wurde ihm das Thema zugeteilt. Emmons startete aus diesem Grund gemeinsam mit seinem Kollegen Michael McCullough drei Studien, die mit Dankbarkeitsinterventionen arbeiteten. Das Resultat war der Arbeitsschwerpunkt Dankbarkeit und eine umfassende Studie zu dem Thema (Handbook of Positive Psychology 2002). Das Ergebnis seiner Studien: Unabhängig davon, ob wir einem anderen Menschen dankbar sind, dem Schicksal oder einer höheren Macht, ist die Wirkung positiv. Dankbare Menschen sind nach neueren Forschungen insgesamt glücklicher, optimistischer, hilfsbereiter, einfühlsamer und religiöser bzw. spiritueller.

Emmons klärte zuerst die Frage nach Ursache und Wirkung: Bin ich glücklicher, weil ich dankbar bin – oder bin ich nur dankbar, weil ich glücklich bin. Hierzu wurden bereits 2003 umfassende Experimente durchgeführt und das Ergebnis war eindeutig: Die Teilnehmer aus Emmons‘ Versuchsgruppe sollte 10 Wochen lang abends fünf Dinge notieren, für die sie dankbar waren (übrigens: das durften sogar immer wieder die gleichen Dinge sein). Eine zweite Versuchsgruppe schrieb über fünf Ärgernisse des Tages und die Kontrollgruppe notierte fünf wichtige Dinge, die an diesem Tag geschehen waren. Das Ergebnis: Die Teilnehmer der Dankbarkeitsgruppe waren optimistischer und zufriedener mit ihrem Leben. Zudem erlebten sie sich als gesünder, denn sie litten weniger unter Kopfschmerzen, Husten oder Schwindel. Und sie trieben mehr Sport.

Der einzige Einwand gegen diesen Glücks-Hack könnte natürlich sein: Ich habe aber leider nicht so viel, für das ich dankbar sein könnte!

Aber nein! Und zwar ganz entschieden NEIN! Man kann dankbar sein für die Fähigkeit zu gehen, zu sehen, zu sprechen, zu lesen, zu denken, ein Dach über dem Kopf zu haben, ein Auto oder Fahrrad, etwas zu essen auf dem Tisch, Freunde, Familie.

Sie merken bereits, worauf diese kleine Aufzählung abzielt. Viel zu oft betrachten wir die Geschenke in unserem Leben als selbstverständlich. Bis sie uns fehlen!

Über dem Klinikum in Basel ist ein sehr betroffen machender Satz in Stein gemeißelt: Der Gesunde hat viele Wünsche – der Kranke nur einen!

In dem Augenblick, in dem einem eines der oben genannten Dinge fehlen würde, merkt man, wie wichtig es im eigenen Leben war und wie dankbar wir alle sein sollten. Jeden Tag.

So, nun haben Sie nicht nur ein Rezept gegen die Angst erhalten, sondern tatsächlich auch gleich noch eines für mehr Glück.

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